Nein, keine Biketour, keine Bergtour, keine Skitour. Einmal ganz ein anderes Thema, nämlich der Tourismus im Wipptal. Drehen wir mal die Zeit zurück:
Es ist bekannt, dass zu Beginn des letzten Jahrhunderts der zunehmende Alpinismus im Sommer und die weltweite Verbreitung der Arlbergtechnik durch den Skipionier Hannes Schneider im Winter der Tourismus in Tirol seine Anfänge hatte. Nach und nach entwickelten sich aus den Bergdörfern kleine Tourismusorte; die Landwirtschaft rückte in den Hintergrund und der Bau von „Fremdenzimmern mit Fließwasser“ in den Vordergrund – die Bauern mutierten zu Alpinen Gastgebern. Tirol baute sich eine Bastion für den Fremdenverkehr. Besonders nach dem zweiten Weltkrieg, als Europa wieder seinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, war es hipp im Sommer mit dem nagelneuen Volkswagen über den Brenner nach Italien zum Strandurlaub zu fahren und im Winter den Skiurlaub in den Alpen zu verbringen.
Nicht nur in Tirol, sondern auch in Vorarlberg, Salzburg, den benachbarten Südtirol, Trentino, Kanton Graubünden, u.a. ging die touristische Entwicklung voran:
Aus einem Schlepplift wurden drei, die wurden dann wieder ersetzt durch fünf Sessellifte und so wuchsen und wuchsen die Skigebiete und verschlangen einen Berg nach den anderen – brachten Devisen und folglich Wohlstand.
Die Erfolge Österreichischer Skifahrer wie Ernst Hinterseer, Karl Schranz, Toni Sailer, Heini Messner und Co. in den späten Fünfziger, Sechziger und Siebziger taten ihr übriges dazu aus der kleinen Alpenrepublik die Skination Nummer eins zu machen.
Skimarken wir Atomic, Fischer, Kästle, Kneissel, Blizzard und Co. stellten auch noch das Material zur Verfügung, um auch einen Industriezweig zu schaffen, der die zwei Bretter, die die Welt bedeuten, zu produzieren, zu vermarkten und zu verkaufen.
Aber auch im Sommer tat sich vieles: Egal ob Österreichische oder Südtiroler Alpinpioniere wie Hermann Buhl, Hias Rebitsch oder Luis Trenker – alle trugen dazu bei, dass der Alpinismus über Propagandafilme, aber auch durch alpine Meisterleistungen, populärer wurde, medial um die Welt ging und die Massen in die Alpen zog.
Auch der Deutsche Alpenverein spielt in der Entwicklung des „Fremdenverkehrs in den Bergen“ eine wichtige Rolle: Mehr als 300 Hütten quer über die Bergzüge wurden in den Jahrzehnten geplant, errichtet, verpachtet und gepflegt und bilden somit gemeinsam mit den zig Tausenden Kilometern Wanderwege das Fundament für im gegenwärtigen Alpinen Tourismus.
Wenn wir aber auf das Wipptal schauen, dann geht der Tourismus und die Gastwirtschaft viel weiter zurück und dann auch ganz andere Wege: Von jeher ist die Region nördlich und südlich des Brenners geprägt von der Durchreise. Schon die Römer schätzten den niedrigen Brennerpass um ihr Reich auszubreiten und sogar Göthe nächtigte in Matrei auf seiner Reise nach Venedig.
Besonders in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts profitierten die Betriebe an der Brennerbundesstraße vom Aufschwung; wie vorhin schon erwähnt. In den sechziger Jahren hatte Steinach am Brenner sogar mehr Nächtigungen als Kitzbühel.
Und heute? Ab den siebziger Jahren ist die touristische Entwicklung im Wipptal etwas langsamer geworden, teilweise stehengeblieben. Während in anderen Regionen Hotels aus dem Boden wuchsen, touristische Infrastrukturen geschaffen und die Skigebiete erweitert wurden um noch größere Massen anzuziehen und die Gästebedürfnisse zu befriedigen, ruhte man sich im Wipptal auf den Lorbeeren der vergangenen Jahre und den verdienten Schillingen aus.
Und genau das macht den Reiz des Wipptales gegenwärtig aus: Ok, einige Hotels sind weggefallen und mit 30 Pistenkilometern haben wir eher ein zu kleines Skigebiet, ABER:
* Täler, welche nur minimalst touristisch geprägt sind und du noch die fast unberührte Schönheit der Berg- und Kulturlandschaft erlebst.
* Das Navistal, wo man auf den Wanderwegen immer noch mehr Einheimische als Gäste unterwegs sind
* Ein kleiner, 40 Jahre alter Tellerlift, welcher den Kindern im Schmirntales als Freizeitbeschäftigung im Winter dient.
* Das Natura 2000 Schutzgebiet Valser Tal – kein einziges Hotel, jahrhunderte alte Baunerhöfe und Natur pur inmitten einer atemberaubenden Landschaft.
* Das Venntal, in welchem es ausser zwei Höfen und einem Gasthaus nur noch die traumhafte Bergwelt der Tuxer Alpen gibt.
* Das Obernbergtal, wo der Obernberger See immer wieder Zündstoff für hitzigste Diskussionen gibt und dennoch für Entspannung und Alpinen Wellness sorgt.
* Das Gschnitztal, welches an die Dolomiten Nordtirols erinnert und wo Alpine Heldentaten ihren Ursprung hatten.
… sind nur ein paar Beispiele, wie unberührt, schön und ehrlich die Seitentäler des Wipptales sind und was es da zu entdecken gibt, wenn man Ruhe sucht.
Während sich in anderen Teilen Tirols 3-, 4- und 5-Sterne Häuser aneinanderreihen und immer noch vergrößert werden, tausende Pistenkilometer jedes Jahr Zuwachs bekommen und Aprés Ski Bars die neuen Saufhits der kommenden Wintersaison auf und ab spielen, geht es im Wipptal und seinen Seitentälern gemächlicher zu.
Auch wenn es schwieriger ist als in anderen Regionen als Hotelier den Gast zu überzeugen im Wipptal Urlaub zu machen, würde ich nie tauschen und bin stolz Gastgeber in diesem Tal zu sein.
Dein Florian Obojes | Gastgeber im Parkhotel Matrei